Die Geister die ich rief
- Heidi
- 23. Feb. 2017
- 3 Min. Lesezeit
In Norwegen gibt es sie noch, die Sagen, Mythen, Märchen... und die Hausgeister. Allen voran der Nix, der böse Wassergeist. Um den geht es auch in der Geschichte, die ich Euch hier ans Herz legen will. Aber es geht auch um so viel mehr...

Titel: Geister
Originaltitel (USA): The Nix
Autor: Nathan Hill
Erstveröffentlichung Deutschland: 04. Oktober 2016 (gebundene Ausgabe)
Format: Hörbuch (via Audible)
Sprecher: Uve Teschner
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen. (Kann ich auch 6 vergeben? 7...?)
Erster Satz: "Hätte Samuel gewusst, dass seine Mutter weggehen würde, hätte er vielleicht besser aufgepasst, hätte er ihr genauer zugehört, sie eingehender beobachtet, sich ein paar wichtige Dinge aufgeschrieben." (Das ist doch mal ein amtlicher erster Satz, oder?)
Warum dieses Buch?
Ich hatte es, glaube ich, schon mal erwähnt: ich verlasse mich bei der Auswahl meiner Bücher inzwischen mehr auf mein Bauchgefühl, als auf gehypte Werbung von Verlagen und Buchläden oder von unzähligen positiven Bewertungen auf Amazon. Ich möchte auch gar nicht mehr so viel wissen darüber, was in einem Buch passiert. Eine kurze Inhaltsangabe reicht. Wenn dazu dann noch ein vielleicht ansprechendes Cover hinzukommt und das Bauchgefühl stimmt, dann lege ich los. Hinzu kam in diesem Fall, dass ich in eine recht kurze (max. 2 Minuten) Hörprobe von Audible reingehört hatte, und danach stand endgültig fest, dieses Buch wollte ich lesen. Hören!
Worum geht's?
Der erste Satz gibt schon einen guten Hinweis. Es geht um Samuel, dessen Mutter die Familie eines Tages plötzlich und unerwartet verlässt. Ohne einen Grund zu nennen, ohne sich zu verabschieden, verschwindet sie aus seinem und seines Vaters Leben. Samuel leidet sehr unter dem Verlust, und darunter, dass er nie einen Grund für Ihr Gehen erfahren hat. Eines Tages taucht sie sehr unerwartet wieder in seinem Leben auf. Nicht, dass sie ihn kontaktiert hätte. Stattdessen bittet ein Rechtsanwalt Samuel um Hilfe, denn seine Mutter steckt in Schwierigkeiten. Sie hat einen tätlichen Angriff auf einen zukünftigen US Präsidentschaftskandidaten verübt und wird jetzt als mögliche Terroristin angeklagt. Samuel bricht auf in eine Reise ins Ungewisse, die sein gesamtes Leben auf den Kopf stellen wird, und in der er auf viele seiner Fragen Antworten erhält, aber auch unzählige neue aufgeworfen werden.
Wie war's?
Umwerfend. Gigantisch. Fesselnd. Berührend. Spannend. Überraschend. Lang. Brillant geschrieben. Perfekt vorgelesen. Das ist die Kurzfassung.
Das gebundene Buch umfasst 864 Seiten, das Hörbuch dauert knapp 24 Stunden. Denn Nathan Hill - Geister ist sein Debut-Roman! - hat sich viel Zeit (das Schreiben hat 10 Jahre gedauert) und viel Raum genommen, diese unglaublich komplexe Story zu Papier zu bringen. Sie spielt abwechselnd in den 1950er Jahren während der Zeit von Samuel's Kindheit, im Jahr 1968 während der Studentenunruhen in Chicago und in der Jetzt-Zeit, dem Jahr 2011 in der Samuel inzwischen Literatur-Professor ist. Eigentlich ist er auch Schriftsteller, hat aber seinen ersten Roman noch nicht mal geschrieben (nur den Vorschuss dafür kassiert und auch wieder ausgegeben), stattdessen verbringt er viel Zeit damit, sich via Uni-Computer in virtuellen Spielewelten zu tummeln. Dort trifft er auf Pwnage, ein typischer Spielsüchtiger, der genau so eine wichtige Rolle spielen wird, wie ein Polizist in Chicago, der Sex mit Liebe verwechselt, einem mit allen Wassern gewaschenen Rechtsanwalt, eine Studentin von Samuel, die eine groteske Mischung aus dumm und gerissen ist, Faye - Samuel's Mutter, ebenso Faye’s Vater, der in seiner Jugend aus Norwegen immigriert ist, und seither mit seinen eigenen Dämonen kämpft. Und natürlich… die Geister. Es spielen sehr viele Personen mit, in diesem grandiosen Roman. Aber nie kommt man durcheinander, nie verzettelt sich der Autor. Er breitet in teils epischer Breite Charaktere und ihre Eigenheiten und Geschichten vor uns aus. Dabei strapaziert er auch durchaus ab und zu mal die Geduld seiner Leser, keine Frage. Man muss schon hier und dort etwas Durchhaltevermögen an den Tag legen. Aber es lohnt sich! Wenn ich manchmal gedacht habe "okay, und warum erklärt er uns das jetzt alles so ausführlich?" oder "okay, wo führt das jetzt hin?" ... am Ende laufen alle Fäden wunderbar zusammen und im Rückblick wird klar: an diesem Buch darf wirklich keine Zeile fehlen. Es ist klug. Es ist witzig. Es ist berührend.
Ein Wort zum Hörbuch: ich weiß, Hörbücher sind nicht jedermann's Sache. Aber ein gut vorgelesenes Hörbuch kann eine Geschichte meiner Meinung nach noch unterstützen... ihr noch mehr Leben verleihen. Und auch über mögliche "Längen" hinweghelfen. Das gilt insbesondere für dieses Hörbuch, welches für mich zum Besten zählt, was ich bisher gehört habe. Uve Teschner hat mich restlos begeistert. Besser geht nicht.
Fazit!
Ganz ganz unbedingt lesen. Oder hören. Egal wie, aber lasst Euch dieses großartige Buch nicht entgehen!
ISBN: 978-3492057370 Verlag: Piper